Die publicplan GmbH ist einer der wenigen Lösungsanbieter im Public Sector, der auf Open Source setzt.
Was führte dazu, diesen bislang ungewöhnlichen Weg zu gehen?
„Einen besonders kundenzentrierten Ansatz haben wir von cosinex als Fachverfahrensanbieter im Bereich der E-Vergabe übernommen und dies auf den Bereich der Individualentwicklung übertragen. Als wir 2010 starteten, war der Einsatz von Open-Source-Komponenten und deren Weiterentwicklung für unsere Aufgabenstellungen und die Kunden besonders effizient.
Wenn man so will, haben wir aus diesem Umstand und der Notwendigkeit eine Tugend gemacht, weil uns die Vorteile von Open Source im Allgemeinen und für die öffentliche Verwaltung im Besonderen überzeugt haben. Wir profitieren dabei vor allem von der Community - und diese von uns. Open Source lebt vom Austausch und der ständigen Verbesserung durch alle Beteiligten.
Auf Grundlage der Prinzipien dieser Gemeinschaft entwickeln wir äußerst wirtschaftliche kunden- und nutzerorientierte Lösungen für die öffentliche Hand: Sowohl auf Verwaltungs- wie auch auf Bürger- und Unternehmensseite. Dabei haben wir früh erkannt, dass ein konsequenter und glaubwürdiger Open-Source-Ansatz auch ein Differenzierungsmerkmal ist. Die jüngeren Entwicklungen auf der Ebene der EU bis hin zu den kommunalen IT-Dienstleistern im Rahmen des Verbands VITAKO bestärken uns in unserem Weg.“
Open Source als Geschäftsmodell, das stößt immer noch auf Unverständnis.
Welche Auswirkungen hat diese Entscheidung und wie kann vor allem die Verwaltung davon profitieren?
„Im Grunde ist unser Ansatz nicht neu. Der E-Government-Markt ist schon seit den Kieler Beschlüssen von 1979 von der Idee geprägt, dass staatliche Stellen einander Software überlassen dürfen. Schon damals ging man also vom arbeitsteiligen Vorgehen bei einzelnen Lösungen aus und regelte die Möglichkeit der Übertragung. Dies ist der gleiche Gedanke, der auch Open Source zugrunde liegt. Man sieht also, dass die öffentliche Hand in Deutschland vor 40 Jahren schon viel weiter war als der Rest der Welt, da der Begriff Open Source erst viel später entstand. Leider wurde diese Grundidee der Kieler Beschlüsse nicht ausreichend gelebt und forciert.
Doch die Diskussionen rund um die Corona-Warn-App haben wieder vor Augen geführt, was die Bereitstellung von Lösungen mit quelloffenem Code bringt: Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufgrund der Möglichkeit einer auch kritischen Überprüfung und Verbesserung der Lösung – was letztendlich allen Nutzern zugutekommt. Open-Source-Anwendungen fördern so auch Innovationen und den Wettbewerb um die beste Lösung, da sie keinen Restriktionen eines Unternehmens oder des Marktes unterliegen.
Gerade für die öffentliche Hand stellt das eine riesige Chance dar. Wir sind überzeugt, dass digitale Dienste der öffentlichen Verwaltung vor allem den Nutzern zugutekommen sollten. Damit sie Vertrauen aufbauen, müssen Behörden die Kontrolle über ihre Dienste haben. Das geht aus unserer Sicht nur durch die offene Lizenzierung von Software, die für die öffentliche Hand entwickelt wird. Open Source ist ein Gewinn für alle Beteiligten: für die Verwaltung, Bürger:innen und Unternehmen als Nutzer und sogar für uns als Firma.“
publicplan wächst dynamisch und hat inzwischen über 65 Mitarbeiter.
Welche Meilensteine und Projekte haben zu diesem Erfolg geführt?
„In erster Linie Kunden und Partner, die sich die Zeit genommen haben, unseren Ansätzen zuzuhören und auf unsere Innovationsfähigkeit vertrauen, wofür wir dankbar sind. Hierzu gehören insbesondere die äußerst innovative d-NRW AöR und mittelbar das Land Nordrhein-Westfalen sowie inzwischen viele andere Kunden außerhalb von Nordrhein-Westfalen.
Konkret fällt mir vor allem eines unserer größeren Projekte ein, das uns seit Gründung der publicplan begleitet und mittlerweile zu einer ganzen Lösungsfamilie im Pflege- und Krankenhausbereich mit uns gewachsen ist: Anwendungen wie PfAD.umlage, heute PFAU.NRW, PfAD.invest, PfAD.wtg und PfAD.uia sowie verbundene Lösungen wie Heimfinder.NRW oder Pflegewegweiser NRW machen die Pflege in Deutschland einfacher zugänglich und gestalten sie effizienter. Gerade in der Coronakrise waren sie eine große Hilfe, um Leistungen schnell digital verfügbar zu machen. Hier konnten wir zeigen, wie schnell und flexibel wir auf neue Begebenheiten reagieren können.
Unseren ersten komplexen Verwaltungsablauf haben wir mit der Online Sicherheitsüberprüfung OSiP umgesetzt. Das IT-Verfahren haben wir gemeinsam mit cosinex vollständig digitalisiert und medienbruchfrei abgebildet. Die Lösung zeigt eindrucksvoll, wie wir Softwareentwicklung und E-Government verstehen und leben. Denn sie ist flexibel erweiterbar und einsatzfähig.
Prägend für die Firmengeschichte ist sicher auch die Entwicklung einzelner Projekte und Lösungen hin zu eigenen Produkten, die unseren Stempel tragen. Hervorzuheben ist vor allem die Geburtsstunde von deGov im Jahr 2016, unserem Behörden-CMS auf Drupal-Basis, mit dem heute viele Ministerien ihren Internetauftritt gestalten. Mittlerweile haben wir mit einem Open-Source-basierten Messenger (GovChat), einem Chatbot (GovBot) und einer innovativen Technologie für Formulare (GovForms) eine ganze Produktfamilie auf Open-Source-Basis realisiert. Und die Lösungsfamilie wächst kontinuierlich.
Besonders stolz sind wir, dass etwa im Bereich deGov entsprechende landesspezifische Adaptionen wie NRW.Gov heute Grundlage von Ausschreibungen sind und weitere, namhafte Unternehmen diese nutzen, um Lösungen auf dieser Basis zu realisieren.“
Das Jahr 2020 ist geprägt von der Coronakrise, die allerdings auch der Verwaltung einen Schub in Sachen Digitalisierung gegeben hat.
Wird sich diese Dynamik fortsetzen und was bringen die nächsten fünf Jahre im E-Government?
„Die bedauerliche Situation hat uns in unserem Weg und unserem strategischen Ansatz bestätigt. Die letzten Monate waren eine Art Blaupause für das E-Government. Die Vorteile einer digitalisierten Verwaltung haben sich genau jetzt offenbart. Darin sehen wir eine große Chance für unsere Kund:innen und Nutzer:innen und natürlich auch für uns, denn unsere Lösungen setzen auf ausschließlich digitalen und damit „berührungsfreien“ Kontakt für Bürger und Verwaltung.
Da der öffentliche Sektor nun viele Leistungen und Services gezwungenermaßen – weiter – digitalisieren muss, lösen sich auch gelegentliche Abwehrhaltungen für moderne, nutzerfreundliche Onlineleistungen. Wir sind daher in enger Abstimmung mit unseren Kund:innen und Partner:innen, um die Dynamik der letzten Wochen und Monate bestmöglich in wirtschaftliche E-Government-Lösungen umzusetzen. Auch hier zeigen sich die Vorteile unseres Open-Source-basierten Ansatzes, denn dadurch können Behörden unabhängig von einzelnen Herstellern agieren. Und genau diesen Ansatz wollen wir weiter vorantreiben.
Denn für uns ist die Entscheidung für Open Source nicht nur eine strategische, sondern auch eine kulturelle, aus ihr ergibt sich gesellschaftlicher Nutzen. Open Source bedeutet Transparenz und Teilhabe für alle Beteiligten. Für uns ist das der Weg zu einer gesunden E-Government-Landschaft, die von Vielfalt und Innovation geprägt ist und in der auch der Staat die Spielregeln mitgestaltet.
Doch damit hört die Arbeit für uns nicht auf. Wir setzen uns weiterhin für die Prinzipien ein, die hinter der Open-Source-Philosophie stecken: Offene Schnittstellen, offene Dokumentation, oder offene Standards und öffentlicher Code! Dieses Mindset wollen wir mit unseren Lösungen in die Digitalisierung der Verwaltung bringen.
Für uns ist dies ein Ansatz für eine Win-Win-Situation: Der öffentliche Sektor profitiert von öffentlichem Code mit wirtschaftlicheren Lösungen, die Bürger und Unternehmen von guten und sicheren Diensten der Verwaltung.“
Mehr Informationen rund um digitale Lösungen für die Verwaltung finden Sie auf unserem Blog. Bei Interesse kontaktieren Sie uns gerne.