Die Corona-Krise führt zum „Digitalisierungsschock“
Jetzt erhält das OZG einen unerwarteten Schub in Folge einer der größten Krisen, die es in der jüngeren Geschichte gab. Die Corona-Krise führte zu einem „Digitalisierungsschock“. Wie durch ein Brennglas wurden Defizite und Chancen der Digitalisierung in der Verwaltung überdeutlich sichtbar: Während digitale Prozesse und Arbeitsformen weiterhin funktionierten, kamen analoge Prozesse an vielen Orten zum Erliegen. Der „Lockdown“ zwang die Mitarbeitenden der Behörden zur Arbeit auf Distanz. Vieles, was vorher undenkbar und geradezu verboten war, wurde jetzt möglich und funktionierte.
Das „Zukunftspaket“ befeuert die digitale Verwaltung
Doch die Corona-Krise führt zu einem noch größeren Effekt. Das Anfang Juni beschlossene „Konjunktur- und Krisenpaket“ der Regierungskoalition befeuert die Umsetzung des OZG nicht nur mit viel Geld, sondern auch mit frischen Ideen zur Registermodernisierung.
Doch Geld und Gestaltungswille stoßen auf eine Verwaltungsrealität, die weiterhin an ausgedünnten IT-Kompetenzen und vollständig ausgelasteten IT-Dienstleistern leidet. Daher benötigen wir neue Impulse und Ideen für die Umsetzung des OZG in seiner zweiten Halbzeit. So sehen unsere 5 Ideen dazu aus.
Idee 1: Den bislang größten Erfolg ausbauen: Zusammenarbeit!
Der größte Erfolg in der bisherigen Umsetzung des OZG besteht in der erfolgreichen Zusammenarbeit der Behörden über alle föderalen Ebenen hinweg. Seit 2015 wird ungleich mehr kooperiert und zusammengearbeitet als in allen 20 Jahren E-Government davor.
Dennoch gibt es Raum für weitere Verbesserungen. Beispielsweise reicht eine einseitige Online-Informationsplattform vom Bund zur Kommunikation über alle Ebenen nicht aus. Insbesondere die Kommunen fühlen sich in der Informationskette abgehängt. So wussten laut einer Bearing-Point Studie die Hälfte der kommunalen Mitarbeitenden nicht, was die OZG-Umsetzung für ihre Verwaltungsarbeit bedeutet.
Auf die Bundesländer übt der Bund mit dem „Einer-für-Alle / Viele“-Prinzip verstärkt Druck aus. Künftig sollen digitale Landeslösungen für alle anderen Bundesländer zur Nachnutzung verfügbar sein, sonst gibt es kein Fördergeld vom Bund.
Wir empfehlen daher den Ausbau der Kommunikation und weitere Partizipationsmöglichkeiten aller am OZG beteiligten Instanzen.
Idee 2: Agile Arbeitsformen deutlich ausweiten
In vielen Verwaltungen gibt es nur wenig Erfahrungen mit Veränderungsprozessen oder agilem Projektmanagement. Es wird auch unterschätzt, dass das OZG zu einer deutlichen Veränderung in der Verwaltungsarbeit führen wird.
Gleichzeitig ist die Realisierung von Digitalisierungsvorhaben von hoher Komplexität geprägt. Das verlangt oft eine differenzierte Lösungsfindung, bei der auch Arbeitsweisen der jeweiligen Komplexität angepasst werden müssen, da im Zuge der Projekte viel Neues gelernt wird.
Eine Möglichkeit zur Begegnung dieser Komplexität ist die Nutzung agiler Arbeitsformen. Agil bedeutet nicht „schnell“ und „hastig“, sondern ermöglicht die Durchführung der Projekte in kleineren Schritten. Gleichzeitig fördert agile Arbeit das Lernen in der Organisation durch regelmäßige Feedback-Schleifen.
Aber die Beschränkung von agilen Methoden auf die Umsetzungsebene reicht nicht. Auch das Management und die Entscheidungsprozesse in den Verwaltungen benötigen einen Agilitätsschub. Hier wären neue und verstärkte Angebote für agiles Management für Führungs- und Leitungskräfte sehr interessant.
Idee 3: Konsequente Umsetzung aller Lösungen als Open Source
Es besteht die Gefahr, dass das in Folge des Konjunkturpaketes mit finanziellen Mitteln jetzt gut ausgestattete Projekt Onlinezugangsgesetz genau an diesem neuen Geld scheitert. Es ist denkbar, dass das Geld kurzfristig für den Kauf von proprietären Systemen ausgegeben wird, statt es in eine offene und langfristig nutzbare Verwaltungsarchitektur zu investieren.
Gerade jetzt besteht die einmalige Chance, digitale Verwaltungsleistungen konsequent als Open Source unter Bereitstellung offener Schnittstellen umzusetzen. Denn erst Open Source führt zur Transparenz über den wahren Projektfortschritt, erhöht gleichzeitig die technische Sicherheit durch mögliche Audits von Dritten und führt letztendlich zu einem Vertrauen der Bürger:innen in die geschaffene Lösung.
Eine weitgehend unbekannte Eigenschaft von Open Source ist die Stärkung der regionalen Wirtschaft und kleinerer Unternehmen. Während proprietäre Lösungen oft nur von großen IT-Dienstleistern erstellt und gepflegt werden können, haben durch Open Source auch junge Unternehmen und Start-Ups eine Möglichkeit zur Auftragsvergabe. So steigt die Innovationskraft, weil durch frische Ideen und das Engagement der kleinen Unternehmen ein Zusatznutzen erkannt wird, den wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.
Idee 4: Einbeziehung der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung
An einem einzigen Wochenende hat kürzlich der Hackathon #WirVsVirus über 1.500 neue Ideen für die digitale Verwaltung generiert. Davon sind 130 Lösungen zur Realisierung ausgewählt worden. Dieser vom Bundeskanzleramt mit mehreren Partnern ins Leben gerufene Hackathon hat über Deutschland hinaus zu großer Aufmerksamkeit geführt.
Er hat vor allem eines gezeigt: Wir haben in Deutschland in der Zivilgesellschaft eine große Digitalkompetenz mit dem unbedingten Wunsch, gesellschaftlich zu helfen. Das digitale Ehrenamt ist für viele IT-Spezialisten eine wunderbare Möglichkeit, sich mit ihrem Engagement neben Beruf und Familie zu beteiligen.
Dass so etwas auch in größeren IT-Projekten möglich ist, zeigt die im Rahmen eines Hackathons realisierte Lösung zur Autobahnvignette in Tschechien. 60 Entwickler realisierten in 48 Stunden einen funktionsfähigen Online-Shop für das tschechische Mautsystem.
Idee 5: Konsequenter Aufbau eigener Digitalkompetenz in der Verwaltung
Bund, Land und Kommunen sind in den letzten Jahren hinsichtlich ihrer eigenen IT- und Digitalkompetenz ausgeblutet. Es fiel den Behörden immer schwerer, zu den Bedingungen des öffentlichen Dienstes qualifizierte Experten und Nachwuchs anzuwerben. Schlimmer noch, die Notwendigkeit wurde gar oft gar nicht gesehen und eigene IT-Kompetenzen wurden aus Kostengründen ausgelagert.
Dies führt dazu, dass gegenwärtig in Behörden nur wenig Steuerungs- und Umsetzungskompetenz für IT-Lösungen vorhanden ist. Zumindest die Steuerungskompetenz lässt sich nicht einkaufen, denn diese muss in der Behörde vor Ort vorhanden sein.
Es gibt daher keinen Weg mehr an der Tatsache vorbei, dass die Verwaltung in Zukunft in den Aufbau eigener Digitalkompetenzen investieren muss.
Mehr Informationen rund um digitale Lösungen für die Verwaltung finden Sie auf unserem Blog. Bei Interesse kontaktieren Sie uns gerne.