Vielen Menschen ist meist nicht bekannt, welche Funktion „Bezirksregierung“ genau hat. Bezirksregierungen führen als sogenannte Zwischenbehörden Aufgaben des Landes im Verhältnis zu Landkreisen und Kommunen aus. Beispiele für Aufgaben sind in Nordrhein-Westfalen der Arbeits- und Umweltschutz sowie die Schulaufsicht. Das klingt kompliziert und vielleicht ist es gerade deshalb umso erstaunlicher, dass eine Bezirksregierung ein Ort der Innovation, der Veränderung und der gelebten Digitalisierung sein kann. Wir sprechen von der Bezirksregierung Arnsberg und dem dort angeschlossenen Innovationslabor GovLab Arnsberg.
Gov.Beta bringt Gründer:innen und Chef:innen der Digitalisierung zusammen
Wie können Startups, junge Gründer:innen und Verantwortliche für die Verwaltungsdigitalisierung zusammengebracht werden? Das GovLab Arnsberg hat dazu im Auftrag der Bezirksregierung zusammen mit dem Unternehmen PUBLIC die Gov.Beta ins Leben gerufen. Am 02.09.2019 trafen über 70 Verwaltungsangestellte auf Gründer:innen und Expert:innen für Verwaltungstechnologie (GovTech). Gemeinsam wurde an Themen wie Daten KI, Nutzerzentrierung und Innovation gearbeitet.
Die Ideenschmiede des GovLab Arnsberg setzt dabei auf intensive Vernetzung mit Expert:innen aus Technologie, Verwaltung und Startups.
Ideen, Innovationen und Experimente im GovLab Arnsberg
Nils Hoffmann, Leiter GovLab Arnsberg hat gemeinsam mit seinem Team neue und praktische Formen für Projektarbeit, Leadership und der Digitalisierung in der Verwaltung entwickelt. Dabei geht es nicht um große Digitalstrategien und Langzeitpläne. Das Team des GovLab fragt sich stattdessen jeden Tag, wie man mit einfachem Aufwand, etwas Experimentierfreude und beschränkten Mitteln ganz konkrete Verbesserungen in den Verwaltungsalltag bewirken kann.
Ein paar Beispiele aus dem Innovationslabor aus Arnsberg:
- Wie kann ein ChatBot den Mitarbeiter:innen in den Regionen Tipps und Informationen zur ländlichen Entwicklung und IT geben?
- Wie können wir die Mitarbeiter:innen mit einem schlanken Projektmanagement wirksam unterstützen?
- Warum sollten interessierte Mitarbeiter:innen der Verwaltung nicht auch programmieren lernen, um so ihren Alltag mit Office deutlich zu vereinfachen?
Gov.Beta bietet Verwaltungsdigitalisierung in 8 Thesen
Die Keynote zu Begrüßung hielt Nils Hoffmann gemeinsam mit Lars Zimmermann, Managing Director der PUBLIC. Lars Zimmermann erläuterte 8 Thesen zur Verwaltungsdigitalisierung, die wir hier vorstellen und aus unserer Sicht kommentieren.
- Gelingt es dem öffentlichen Sektor nicht, einen hohen digitalen Nutzen für Bürger:innen zu schaffen, erleben wir eine wachsende Legitimitätskrise von Verwaltung und Demokratie.
- Nur offene Systeme und Organisationen sind innovativ. Die größte Herausforderung für den öffentlichen Sektor ist die Anwendung neuer Technologien in Verbindung mit der Re-Organisation von Struktur und Kultur.
- Regierungen und Verwaltungen sind die größten Anwendungsplattformen digitaler Innovationen in Europa.
- 14.000 Städte und Kommunen in Deutschland können zum wichtigsten Technologietreiber Deutschlands werden.
- Verwaltungen müssen keine Experten in digitalen Technologien, aber die besten Anwender werden. Nicht die Unternehmen, sondern die Verwaltungen sind die entscheidenden Innovationstreiber.
- Jeder technologische Fortschritt muss wertebasiert und in der demokratischen Gesellschaft verankert sein.
- Der neue Systemwettbewerb ist technologischer Natur. Dabei spielen Städte und Regionen eine entscheidende Rolle. Europa muss neben China und den USA auch als GovTech-Anwender weltweit Führungsanspruch behaupten.
- Ein abschließendes Zitat von Justin Trudeau, dem Premierminister von Kanada: „Technologie wird die heutige Form von Verwaltung obsolet machen. Und das ist auch gut so!“
Die Thesen von Lars Zimmermann wirken provokant, sind aber aus unserer Sicht von hoher Relevanz.
Die Verwaltung ist eine Stütze unserer demokratischen Gesellschaft. Sie muss aber auch ein innovativer Arbeitgeber und Gestalter des digitalen Wandels sein. Es wäre fatal, wenn wir in deutschen Verwaltungen die Entwicklungen und Chancen für bessere, sinnstiftende und digitale Angebote anderen Systemen oder Plattformen überlassen würden. Darüber hinaus besteht eine Erfordernis für eine digitale Daseinsfürsorge. Daher berühren diese Fragen den Kern und Auftrag der Verwaltung.
Erfahrungen aus der Zusammenarbeit von Startups und Verwaltung
Innovative Digitalisierung, neue Arbeitskultur und die Rahmenbedingungen der Auftragsvergabe bilden ein interessantes Spannungsfeld. Nils Hoffmann moderierte hierzu ein spannendes Panel mit Denes Kücük (stellv. CIO Stadt Dortmund), Christina Lang (Gründerin Tech4Germany) und Faruk Tuncer (CEO & Gründer Polyteia).
Die Kernfragen lauteten: Wie können junge Menschen der Technologie-Szene und Mitarbeiter:innen der Verwaltung sinnvoll zusammenarbeiten?
Die Diskutierenden berichteten aus ihren Erfahrungen:
- Das Engagement der Verwaltungsmitarbeiter:innen ist sehr hoch. Ein Problem in der Zusammenarbeit mit Startups sind die oft längeren Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse.
- Die Augenhöhe aller Beteiligten ist wichtig. Innovation und Zusammenarbeit benötigt Freiräume und eine offenere Arbeitskultur.
- Der Fokus auf die Nutzerzentrierung bei der Entwicklung von Lösungen war allen Beteiligten sehr wichtig.
- Ein großes Problem für Startups sind die geltenden Regeln des Ausschreibungsrechts. Diese stehen neuen Formen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit oft im Wege.
Der Wettbewerb der Ideen
Der Schwerpunkt von Gov.Beta war ein buntes Programm an Workshops. In allen Workshops wurde gemeinsam an Thementischen gearbeitet. Das GovLab Arnsberg hat z. B. zusammen mit Matthias Hörmeyer (KGST) einen Service-Design-Canvas entwickelt. Mit diesem Tool können auf sehr einfache Weise neue Ideen bewertet werden.
Dazu zwei Beispiele:
- In einem Workshop haben wir die Idee eines Startups geprüft, das eine optimal auf Senior:innen abgestimmte Benutzeroberfläche entwickelt hat. Wie kann die Verwaltung von der Idee profitieren?
- Eine andere Frage war, an welchen Stellen Künstliche Intelligenz konkret die Verwaltungsarbeit unterstützen kann, bspw. bei der Bauaufsicht oder in der Verkehrsüberwachung.
Der vom GovLab vorgestellte Verwaltungscanvas besteht aus 5 Segmenten:
- Die Definition der Chance: Wie kann die vorgestellte Idee eingesetzt werden?
- Nutzergruppe: Wer würde von der Idee profitieren? Wie profitiert die Verwaltung von der Idee?
- Stakeholder: Wen brauchen wir, um diese Idee umzusetzen?
- Kontext: In welchem Rahmen findet die Umsetzung statt?
- Vision: Wie könnte eine Verwaltung aussehen, in der diese Idee perfekt umgesetzt wurde.
Der Verwaltungscanvas folgt der bewährten Idee, komplexe Entscheidungen durch ein einfaches Raster zu vereinfachen. Insgesamt brachte die Zusammenarbeit im Workshop nicht nur großen Spaß, sondern alle Teilnehmenden waren überrascht, wie einfach konkrete und wertvolle Ergebnisse gemeinsam erarbeitet werden können.
Für Interessierte: In diesem Zusammenhang empfehlen wir für Verwaltungsmitarbeiter:innen, die sich in Projekten oder in der IT bewegen den Projekt-Canvas von OverTheFence.
Abschluss und Fazit
Im Abschlusspanel diskutierten Hans-Josef Vogel (Regierungspräsident der Bezirksregierung Arnsberg), Frau Sabine Möwig (Leiterin der Stabsstelle Digitalisierung der Stadt Köln) und Mike Weber (ÖFIT) gemeinsam mit Nils Hoffmann über Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung in der Verwaltung:
- Innovationslabore wirken: Dinge, die früher nicht in der Verwaltung möglich waren, die gehen jetzt.
- Das Onlinezugangsgesetz (OZG) und der Stellenmangel sorgen für Bewegung in der Digitalisierung.
- Wir sollten in Deutschland nicht jede Mode mitmachen. Unsere Herausforderungen sind unter anderem der Datenschutz und der Föderalismus.
Unser Fazit:
Wir brauchen mehr von solchen Formaten, wie das Gov.Beta-Event in Dortmund und mehr Diversität sowie Austausch in der Lösungsfindung! Die Verwaltung profitiert durch Impulse, Anregungen und dem gemeinsamen Austausch. Wenn Sie mehr über kreative Ideen für die Verwaltungsdigitalisierung erfahren möchten, freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme.