Überraschend klar thematisierte Friedrich Merz am Mittwoch in seiner Regierungserklärung vor dem Bundestag das vormalige „Nischenthema“ der Verwaltungsdigitalisierung: „Wir investieren in einen modernen Staat und eine digitale Verwaltung, die die Bürgerinnen und Bürger nicht gängelt und drangsaliert, sondern unterstützt und voranbringt.“ Das verband er mit einem konkreten Zielbild: „Verwaltungsleistungen sollen einfach und digital über eine zentrale Plattform ermöglicht werden, ohne Behördengang.“ Stehen nun also zusammen mit der Gründung des ersten echten Digitalministeriums auf Bundesebene und einem Sondervermögen auch für digitale Infrastruktur alle Zeichen auf freie Fahrt für eine effiziente digitale Verwaltung?
Die mehr als 25-jährige Geschichte der Verwaltungsdigitalisierung lehrt uns: Versprechen und Ankündigungen gab es schon einige. Auf die Umsetzung kommt es an. Ein Kanzler, der Digitalthemen auf dem Schirm hat und vorantreibt sowie ein neues Ressort, das sich ganz auf Digitalisierung und Staatsmodernisierung konzentrieren kann, sind gute Voraussetzungen, um wirklich ins Machen zu kommen. Aber: Wir müssen dabei aus den Fehlern und Fallstricken der Vergangenheit lernen und auch die aktuellen Zeichen der Zeit beachten. Das digitale Deutschland muss sicher, leistungsfähig, interoperabel, flexibel und offen sein, um wirksam voranzukommen!
Digitale Souveränität als zentrale Anforderung unserer Zeit
Die aktuellen weltpolitischen Entwicklungen unterstreichen einmal mehr: Digitale Souveränität ist das A und O der Verwaltungsdigitalisierung. Der Staat muss jederzeit die Kontrolle über die Daten von Behörden, Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen haben und er muss die Kontrolle über die Software haben, die er nutzt, um diese Daten zu verarbeiten. Hier gab es in der Vergangenheit bedenkliche Entwicklungen. Statt auf digital souveräne Produkte wurde im großen Stil auf proprietäre Angebote marktbeherrschender Akteure gesetzt. Das ist nicht nur problematisch, da es den Wettbewerb erschwert, sondern vor allem weil mittlerweile auch einfache Bürosoftware in ganze Ökosysteme von Cloudspeicher, Kollaborationsplattformen und Kommunikationswerkzeugen eingebunden ist – die bei den proprietären Anbietern meist alle vom selben Hersteller eingekauft bzw. gemietet werden müssen. Hersteller können so den Staat unter Druck setzen, da sie sich und ihre miteinander verknüpften Angebote quasi unverzichtbar machen, der sogenannte Lock-In-Effekt. Im Angesicht der geopolitischen Lage ist das nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch als kritisch einzustufen. Des Weiteren lässt sich proprietärer Code nicht unabhängig überprüfen. Sicherheitslücken können so länger unentdeckt bleiben und die Verwaltung verwundbar für Cyberangriffe machen.

Außerdem sind proprietäre Systeme oft unflexibel – sie funktionieren nur mit den jeweils herstellereigenen Produkten und Datenformaten, es gibt enge Lizenzbestimmungen und einmal entwickelte Sonderlösungen können nicht einfach von anderen Stellen nachgenutzt werden. Wenn der Staat (digitale) Strukturen aufbaut, tut er das langfristig und großflächig. Umso verheerender kann der Effekt sein, wenn sich teuer eingekaufte Produkte als nicht mehr zweckgemäß erweisen, weil sie keine ausreichende Unabhängigkeit der Verwaltung garantieren oder weil steigende Lizenzkosten den Betrieb immer unwirtschaftlicher machen.
Geschlossene, proprietäre Systeme bergen also Probleme für die Sicherheit, Unabhängigkeit und Flexibilität der Verwaltung. Umso wichtiger ist, dass mit dem Anspruch, die digitale Verwaltung in großen Schritten voranzubringen, auch der Anspruch einhergeht, sie auf ein besseres, ein offenes Fundament zu stellen.
Open Source Software für einen digital leistungsfähigen und souveränen Staat
Hier kommt Open Source Software ins Spiel: Die Bundesregierung muss ihren Einsatz in der digitalen Verwaltung stärker als bisher fördern und in kritischen Bereichen forcieren. Mit Open Source Software werden die größten Schmerzpunkte rund um den Einsatz proprietärer Software gelöst: Offener Quellcode macht nachvollziehbar, welche Daten erhoben, wie sie verarbeitet und wo sie gespeichert werden. Rund um die Welt verfolgen zahlreiche Entwicklerinnen und Entwickler Änderungen im Code unabhängig voneinander nach – und sorgen so für mehr Sicherheit und Transparenz. Freie Lizenzen erlauben umfangreiche Anpassungen und stellen sicher, dass Verbesserung allen Nutzenden inner- und außerhalb der Verwaltung zur Verfügung stehen. Open Source Software kann unabhängig von einzelnen Anbietern entwickelt, beschafft, angepasst und betrieben werden. Ohne Vendor-Lock-In können Support- und Weiterentwicklungsverträge flexibel an andere Anbieter vergeben werden und man ist nicht für immer an den Hersteller gebunden. Und: Niemand kann einfach den Stecker ziehen oder Software der Verwaltung unbrauchbar machen, indem zum Beispiel der Zugang zu Cloud-Diensten eingeschränkt wird. Die Daten und Dienste können souverän selbst gehostet oder bei vertrauenswürdigen Dienstleistungspartnern in Deutschland und der EU betrieben werden, ohne Zugriff anderer Staaten oder Akteure.

Klares Bekenntnis zu Open Source
Was es braucht, um diese enormen Vorteile von Open Source für die Verwaltung zu nutzen, ist ein klares Bekenntnis zu quelloffenen Technologien. Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD schon vereinbart, den Einsatz von Open Source Software zu stärken und auf digital souveräne Lösungen zu setzen. Nun muss das auch in der Praxis umgesetzt werden – mit klarem Vorrang für digital souveräne Open Source Software bei allen Projekten, die jetzt angegangen werden, um der Digitalisierung des deutschen Staats einen Schub zu geben. Die Voraussetzungen sind da: Verwaltungsinterne Expertise-Zentren wie das ZenDiS und die Sovereign Tech Agency, finanzielle Mittel, um die zentralen Projekte mit Open Source Software voranzutreiben und eine starke Dienstleisterlandschaft in Deutschland, die dem Staat bei der Entwicklung und dem Betrieb einer digital souveränen Infrastruktur zur Seite stehen kann.
Jetzt kommt’s drauf an: Machen, machen, machen! Und zwar mit Open Source.