Nach einer „Vollbremsung“ durch eine Blockade im Bundesrat, gibt es nun doch eine Einigung im Vermittlungsausschuss: Bund und Länder sind sich über strittige Punkte einig geworden. Das Update des Onlinezugangsgesetzes („OZG 2.0“) enthält wichtige Neuerung, die mehr digitale Verwaltung ermöglichen. Jetzt kann es ganz schnell gehen: Womöglich passiert das Gesetz noch in dieser Woche Bundestag und Bundesrat. Was bedeutet das für die Zukunft der digitalen Verwaltung in Deutschland?
Was sich rund ums OZG 2.0 abspielte war fast ein kleiner Politik-Krimi: Nachdem nach intensiven Diskussionen Anfang des Jahres eine Neufassung des Onlinezugangsgesetzes den Bundestag passierte – 14 Monate nach Auslaufen der (gerissenen) Umsetzungsfrist des ursprünglichen OZG – war die Hoffnung auf neuen Schub in der Verwaltungsdigitalisierung groß. Jedoch: Das Gesetz ist Zustimmungspflichtig im Bundesrat. Häufig ist die Zustimmung der Länderkammer eine Formsache, hier geriet sie aber zum Politikum. Aus unterschiedlichen Gründen verweigerten die Länder ihre Zustimmung. Das Gesetzesvorhaben stand damit vor dem Aus.
Jetzt stehen die Zeichen wieder auf „Bahn frei“: Im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat einigten sich Bund und Länder auf einen Kompromiss. Damit geht das OZG 2.0 erneut in die Abstimmung in Bundestag und Bundesrat, diese stimmen dem ausgehandelten Kompromiss voraussichtlich zu – und das Gesetz tritt zeitnah in Kraft. Sogar ein Beschluss vor der politischen Sommerpause scheint aktuell möglich, womöglich schon am 14. Juni, wenn Bundestag und Bundesrat das nächste Mal tagen. Damit wird vieles Neues möglich, die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen kann effektiver vorangetrieben werden und es gibt neue Zielmarken.
Endlich mehr Verwaltungsdigitalisierung nach fataler Vollbremsung?
Eigentlich ein spannender Vorgang für Politikinteressierte – wenn es nicht um ein so wichtiges Gesetzesvorhaben ginge, das dringend und zügig in Kraft treten muss. Das OZG 2.0 enthält wichtige neue Regelungen, unter anderem: Den Wegfall des Schriftformerfordernis für weitere Verwaltungsvorgänge, neue Verfahren zur Festlegung von Standards und Schnittstellen im föderalen IT-Gefüge und nicht zuletzt ein Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistungen bis 2028. Einen ausführlichen Blick auf die enthaltenen Neuregelungen habe ich bereits in einem früheren Blogartikel geworfen.
Doch dass diese für die praktische Umsetzung von mehr Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung wichtigen Regelungen verzögert wurden, ist nicht der einzige Grund, warum der Stopp des Gesetzes im Bundesrat so kritisch war: Er sendete ein fatales Signal. Hat die Politik noch immer nicht erkannt, welche hohe Priorität die digitale Verwaltung hat?
Die digitale Transformation ist Voraussetzung dafür, dass unser Staat auch in Zukunft zuverlässig funktioniert (Stichworte: Pensionierungswelle, Wirtschafts-Transformation und Fachkräftemangel in der Verwaltung). Ein so wichtiges Gesetz wegen politischer Differenzen auszubremsen, spielt auch mit dem Vertrauen der Bürger:innen in die Leistungsfähigkeit unseres demokratischen Staatswesens.
Genau deshalb hatte ich bereits Anfang Mai gemeinsam mit Geschäftsführern und Vorständen von 4 weiteren mittelständischen IT-Unternehmen aus ganz Deutschland einen offenen Brief initiiert, in dem wir die Bundesratspräsidentin aufforderten, auf eine schnelle und pragmatische Einigung hinzuwirken. Den Brief gibt es hier im Volltext zu lesen.
Umso mehr begrüße ich natürlich, dass es tatsächlich so kam: Im Vermittlungsausschuss konnten politische Bruchlinien überwunden und ein Kompromiss ausgearbeitet werden, mit dem das OZG 2.0 wieder auf den Kurs in Richtung Inkrafttreten bringt. Und das ist enorm wichtig – nicht nur, weil es jetzt in der Umsetzung vorangeht, sondern weil es signalisiert: Es geht eben doch! Die Digitalisierung wird nicht aufs Abstellgleis gestellt und alle Akteure haben ein Interesse daran, dass wir weiter aufholen zu unseren europäischen Nachbarn, bei denen schon mehr digital geht.
Worum es ging: Streitpunkte und Einigung beim OZG 2.0
Doch gehen wir nochmal einen Schritt zurück: Worum ging es eigentlich beim Konflikt um das OZG 2.0? 2 Hauptpunkte wurden von den Ländern vorgebracht: Die im OZG 2.0 geplanten Standardisierungs-Befugnisse des Bundes gingen zu weit und würden die Länder zu wenig einbeziehen. Vor allem der IT-Planungsrat, in dem die IT-Verantwortlichen der Länder und des Bundes regelmäßig tagen, hatte für sie eine zu passive Rolle.
Daran knüpfte sich ein 2. Stein des Anstoßes: Der Bund wolle zwar Standards vorgeben, ziehe sich bei der Finanzierung der digitalen Transformation aber immer weiter zurück. Daneben hatte der Bund bereits vor der Ablehnung im Bundesrat zugesagt, einige Forderungen der Länder zu erfüllen, so beispielsweise, dass weiterhin eine Authentifizierung mittels ELSTER-Zertifikat neben der BundID möglich sein soll.
Der gefundene Kompromiss adressiert diese Vorbehalte:
- Beim Setzen von Standards ist nun der IT-Planungsrat stärker eingebunden: Vorgaben, die der Bund machen will, sollen im Einvernehmen mit den Ländern im IT-Planungsrat beschlossen werden.
- Mehr Geld vom Bund gibt es zwar wohl vorerst nicht – der Finanz- und Ressourcenaufwand für die Länder und Kommunen soll aber systematisch im Auge behalten werden. Dazu wird beim IT-Planungsrat von Bund und Ländern ein Monitoring zum Erfüllungsaufwand eingerichtet.
- Zur Authentifizierung gibt es einen Kompromiss mit Symbolwirkung und in der Sache: Aus der Bund-ID wird die Deutschland-ID. Bund und Länder arbeiten gemeinsam an der Weiterentwicklung, wobei voraussichtlich der Bund die Kosten trägt. Während einer Übergangsfrist dürfen außerdem die Länder weiter eigene Authentifizierungslösungen nutzen, bevor sie verpflichtend zur Deutschland-ID migrieren. Das ELSTER-Zertifikat soll seinen Sonderstatus behalten und vorerst unbefristet weiter als Anmeldeoption genutzt werden können.
- Beim Abruf von Daten aus Registern wurde den Bedenken der Länder Sorge getragen, dass nicht alle Register technisch schon so weit ertüchtigt sind, dass sie einen sofortigen Datenabruf erlauben. Vorerst soll es rechtlich möglich sein, asynchrone, also zeitversetzte, Datenabrufe durchzuführen.
Jetzt geht es endlich wieder ums Machen!
Ob diese Einigung das volle Potenzial des OZG 2.0 ausschöpft, mag man unterschiedlicher Ansicht sein. Ebenso ob die Extraschleife über den Vermittlungsausschuss und die damit verbundene Verzögerung vermeidbar waren. Wichtig ist jedoch: Die Blockade wurde überwunden, man hat pragmatisch zueinander gefunden und die Bahn für das wichtige Gesetz freigemacht.
Denn: Weiter diskutieren, bis jede Einzelforderung durchgesetzt ist – das hilft der Verwaltungsdigitalisierung nicht weiter. Mit dem angepassten OZG 2.0 kann es jetzt weitergehen. Neue wichtige Digitalprojekte können angegangen werden und neue Zielmarken geben einen neuen Takt vor – wie der Rechtsanspruch auf digitale Verwaltung ab 2028 und die Umstellung von Verwaltungsleistung für die Wirtschaft auf „digital-only“ binnen fünf Jahren.
Für die Praxis und als Signal: Es ist gut, dass das OZG 2.0 kommt.
Jetzt müssen wir alle – in den Behörden, bei den IT-Dienstleistern, in der Politik – etwas draus machen: Den Schub nutzen. Projekte vorantreiben. Mutig nach vorne denken und für die Bürger:innen und Unternehmen rausholen, was geht. Damit wir zügig zeigen: Deutschland kann Digitalisierung.