Wie bekommen wir bessere Software? Indem wir uns auf Wirksamkeit konzentrieren!
Die Verwaltungsdigitalisierung hat ein Umsetzungsproblem: Die Erkenntnis, dass Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Verwaltungsmitarbeitende dringend Bedarf nach Softwarelösungen haben, die ihre Probleme wirklich lösen, ist mittlerweile – glücklicherweise – fast überall angekommen. Nur: Zwischen komplexen Gesetzeswerken, föderal verteilten Zuständigkeiten und nicht immer sachgerecht ausgestatteten Budgettöpfen bleiben dringend benötigte Lösungen oftmals auf der Strecke. Schnell wird der Ruf nach mehr Effizienz in der Softwareentwicklung für öffentliche Auftraggeber laut. Doch das ist ein Trugschluss – vielmehr muss es uns um mehr Wirksamkeit gehen, dann kommt auch die Effizienz von ganz alleine.
In seinem Meinungsartikel „High-Quality Government Software Starts with Efficacy, Not Efficiency“ geht Bryon Kroger, Gründer der US-Softwareschmiede Rise8, genau dieser Kernthese nach. Obwohl er sich auf die Arbeit für die US-Bundesregierung bezieht – das Prinzip gilt auch für Deutschlands stockende Verwaltungsdigitalisierung, wie ich in diesem Blogbeitrag ausführen möchte.
Die Wirksamkeit im Blick
Der Perspektivwechsel ist so einfach wie einleuchtend: Allzu oft steht bei der Optimierung der Programmierung und Beschaffung von Software für die öffentliche Hand vor allem eins im Vordergrund: Die vermeintliche Effizienz. Vermeintlich, weil aus der Innensicht Effizienzkriterien angelegt werden, die im Außen keine Relevanz haben. Es wird optimiert, um einen möglichst großen Output in möglichst kurzer Zeit zu möglichst kleinem Budget zu erhalten.
Schon der Blick ins Sprichwörterbuch verrät: Das kann nicht funktionieren – „Klasse statt Masse“ ist eben keine hohle Phrase. Das Ergebnis solcher Effizienzbemühungen sind nicht selten Softwareprodukte, die in begleitenden Powerpoint-Präsentationen zwar alle Checkboxen abhaken, möglichst geschickt alle Einkaufsbedingungen erfüllen und angenommene Nutzerbedürfnisse erfüllen, aber eben keine hochqualitative Software, die echte Probleme löst, Nutzer da abholt, wo sie stehen und analoge Prozesse verbessert, statt sie nur digital abzubilden.
Vielmehr sollte der Blick weg vom Output, hin zum Outcome gehen. Wie muss die Softwarelösung angelegt sein, damit sie Wirksamkeit zeigt? Damit sie wirklich den Alltag von Bürgerinnen und Bürgern einfacher macht, Unternehmen von Bürokratie entlastet und Verwaltungsmitarbeitenden hilft, ihre immer umfangreicheren Aufgaben zu bewältigen?
Wirksamkeit bedeutet: Echte Probleme lösen
Wie also kommen wir vom möglichst effizienten Abhaken von Anforderungen weg, hin zu einem Fokus auf echte Wirksamkeit digitaler Lösungen in der Verwaltung? Für den Kontext in Deutschland stehen für mich hier vier Prinzipien im Vordergrund, nach denen auch bei publicplan Projekte aufgesetzt werden und Software entwickelt wird:
1.) Nutzerzentrierter Ansatz: Software darf kein Selbstzweck sein, genau wie die Digitalisierung der Verwaltung kein Selbstzweck sein darf. Im Kern steht immer die Frage: Welche Bedürfnisse haben Nutzerinnen und Nutzer dieses digitalen Werkzeugs? Eine wichtige Grundvoraussetzung hierfür ist, dass potenzielle Endnutzer in den Entwicklungsprozess einbezogen sind — sei es durch Workshops, Benutzerumfragen oder Prototyping. Dies trägt dazu bei, dass die Software nicht nur funktional, sondern auch intuitiv und niedrigschwellig nutzbar ist. Nur Software, die benutzt wird, erzielt eben auch die Effizienzziele, die man sich von der Digitalisierung verspricht.
2.) Langfristige Ausrichtung und Anpassungsfähigkeit: Software muss sich an verändernde Bedürfnisse anpassen, um langfristig Wirksamkeit zu entfalten und Effizienzgewinne aufrecht zu erhalten. Maßgabe muss es sein, Softwarelösungen zu entwickeln, die flexibel sind und leicht aktualisiert werden können, um mit neuen Anforderungen oder technologischen Entwicklungen Schritt zu halten. Das Setzen auf Open Source Technologien ist für publicplan hierzu ein entscheidender Schlüssel.
3.) Messbare Ergebnisse – in der „echten Welt“: Die Effektivität von Software sollte nicht nur intern an technischen Maßstäben, sondern auch extern an ihren Effekten messbar sein. Es ist zentral, Mechanismen und Metriken zur laufenden Bewertung einführen, die zeigen, wie die Software das Nutzererlebnis verbessert und zum Erreichen von Organisationszielen beiträgt. Das heißt zum Beispiel: Wie zufrieden sind die Bürger mit der Antragsstellung? Schafft eine Sachbearbeiterin mit der neuen Software mehr Fälle in der Woche? Hat sich die Fehlerquote des Teams verringert?
4.) Enge Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber: Um den Zielen und besonderen Anforderungen der öffentlichen Verwaltung gerecht zu werden, sollten IT-Entwickler eng mit Behörden und Ministerien zusammenarbeiten. Gemeinsam lassen sich nicht nur im konkreten Projekt bessere Ergebnisse erzielen, sondern auch für kommende Vorhaben Standards und Best Practices entwickeln, die nicht nur auf Effizienz, sondern auf die tatsächliche Wirkung der Software auf die Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung abzielen. Auch hier wieder wichtig: Solche Verbesserungen dürfen nicht im Projektsilo verbleiben – mit Open Source können andere Verwaltungen und ihre IT-Dienstleister von guten Ideen und Lösungen profitieren.
Was es braucht, damit wirksamkeitsbasierte Ansätze funktionieren
Zugegeben: Die Umsetzung dieser Prinzipien kann schwieriger sein, als sie sich in einem Blogartikel lesen. Allzu Effizienz-geleitete Anforderungen entspringen meist nicht dem Übereifer von Projektverantwortlichen, sondern starren und teils überkomplexen Regelungen, die im schlimmsten Fall nie an den Kontext einer digital tickenden Welt angepasst wurden. Hier sind definitiv noch Bretter zu bohren, Räder zu drehen und Weichen zu stellen – und das ist auch ein Auftrag an die Politik. Denn gute digitale Werkzeuge fangen nicht mit Haushaltsmitteln für deren Entwicklung an, sondern mit dem Aufräumen in veralteten Gesetzen und Verordnungen, die den Rahmen für Verwaltungshandeln und eingesetzte IT-Tools bestimmen.
Und daneben braucht es: Mut und Mindset. Mut, die vermeintlich „sicheren“ intern gemessenen Maßstäbe durch die Betrachtung echter Wirksamkeit zu ersetzen. Und das Mindset, nicht vom etablierten Prozess und den Abläufen im Amt her zu denken, sondern vom antragstellenden Bürger oder Unternehmen ausgehend.
Fazit
Deutschland muss digitaler werden. Wir brauchen mehr digitale Dienste, die breiter in der Fläche verfügbar sind, die auch mit begrenzten Budgets umgesetzt werden können – all das klingt erstmal nach mehr Effizienz. Doch wenn wir genau hinschauen, brauchen wir vollem mehr Fokus auf Wirksamkeit. Mehr Dienste helfen nicht, wenn sie keine echten Probleme lösen. Kosteneffiziente Lösungen helfen nicht, wenn Sie zu komplex sind, um sie zu nutzen.
Wenn wir den Blick stärker darauf lenken, wie wir wirksame Softwarelösungen entwickeln, können wir die großen Vorteile der Digitalisierung heben: Mehr (echte) Effizienz in der Verwaltung, entlastete Verwaltungsmitarbeitende, schnellere Verwaltungskontakte von Bürgern und Unternehmen.
Der Weg dahin sind ein nutzerzentriertes denken, flexible und zukunftsgerichtete Entwicklungsprinzipien und Open Source Technologien. Und vor allem: Mut zu einem anderen Denken in der Verwaltungsdigitalisierung.