Bezogen auf Ihren Vortrag: Welche Chancen sehen Sie durch die Anpassungen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) speziell?
Steverding: Durch die Anpassungen, die durch das OZG vorgenommen worden sind, kam auf jeden Fall noch mal Schwung in die Debatte. Es werden auch Verbindlichkeiten geschaffen und Verwaltungsdigitalisierung wird politischer. Das ist sehr wichtig und wird auch gesellschaftlich debattiert, daher halte ich den eingeschlagenen Weg für einen guten und richtigen Schritt, der dann aber jetzt auch konsequent gegangen werden muss. Ebenso ist es essenziell, dass wir Leistung priorisieren, die wir zuerst digitalisieren wollen, denn ein Personalausweis wird zum Beispiel öfter beantragt als ein Atomkraftwerk.
Was motiviert Sie besonders daran, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland voranzutreiben?
Steverding: 80 Millionen Menschen wohnen in Deutschland und wir kommen alle irgendwie jeden Tag mit dem Staat in Kontakt. Sei es, weil unsere Kinder auf öffentliche Schulen gehen, wir ÖPNV und öffentliche Straßen benutzen oder weil wir einen Personalausweis beantragen müssen – da muss der Staat einfach funktionieren, das ist seine Aufgabe und er sollte meines Erachtens nutzerzentriert funktionieren.
Genau das ist meine Vision und mein Grund, warum ich mich dafür einsetze. Aber auch weil ich glaube, dass der Staat dies wirklich kann. Auch wird die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung viele Vorteile bringen und zusätzlich noch mal das Vertrauen in Staat und Demokratie steigern.
Welche Schwerpunkte setzen Sie dabei in Ihrer Arbeit?
Steverding: Meine Schwerpunkte liegen vor allen Dingen darauf, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass digitale Verwaltung sinnvoll ist. Oftmals werden Ausgaben für die digitale Verwaltung nur als Ausgabe gesehen und nicht als Investition. Wir digitalisieren etwas nicht, weil es digitalisiert sein muss, sondern weil es Vorteile bringt und wir etwas zurückbekommen. Ein Beispiel ist, schneller zu sein: Sozialhilfe schneller auszahlen zu können, Websites in verschiedenen Sprachen anbieten zu können, Anträge verständlicher machen zu können.
Welche langfristigen Potentiale sehen Sie in der Nutzung von Open-Source-Software für die öffentliche Verwaltung?
Steverding: Open Source kann dazu beitragen, dass wir als Deutschland oder als deutsche Verwaltungen souveräner werden. Ein großer Vorteil ist, dass man Einsicht in den Quellcode hat und sehen kann, was damit passiert. Auch in der Open-Source-Community steckt viel Potential, jedoch sollte die Verwaltung auch Teil dieser werden. Denn sie darf nicht nur konsumieren, damit es wirklich funktioniert, muss sie auch dazu beitragen.
Was würden Sie sich für die Weiterentwicklung und Implementierung von Open-Source-Lösungen in der Verwaltung wünschen?
Steverding: Wenn ich einen Wunsch frei hätte, um Open Source in der Verwaltung zu stärken, ist das Vorurteile abgebaut werden gegenüber Open Source und dass man Open Source leichter beschaffen kann.
Aktuell arbeiten wir auch genau daran zusammen mit der öffentlichen Verwaltung, indem wir die ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen (EVB-IT) für die Beschaffung von Open Source Software ertüchtigen wollen. Hierfür sitzt der Bitkom als Vertreter der Digitalwirtschaft mit der AG EVB-IT, die für die öffentliche Seite verhandeln, an einem Verhandlungstisch. Die EVB-IT sind Vertragsmuster und -werke in Deutschland, um IT-Produkte und Hardware standardisiert beschaffen zu können – jedoch gibt es diese noch nicht für Open Source. Wenn jedoch genau diese Beschaffung vereinfacht wird, sind die EVB-IT ein großer Baustein dafür, Open Source flächendeckend in die öffentliche Verwaltung zu bringen.
An dieser Stelle möchten wir uns bei Frau Steverding für das Interview im Rahmen des Anwendertags 2024 bedanken.
>> Hier geht es zur Video-Version des Interviews.